Das Besondere bestand darin, nicht nur Skulpturen auf der Liegewiese auszustellen, sondern auch in Räume und Strukturen des gesamten Schwimmbades einzugreifen. Es galt diese visuell und akustisch zu finden, zu interpretieren und neu zu definieren, kurz: Sich vom Ort inspirieren zu lassen. Ob im Schwimmbecken, den Dusch- oder Nebenräumen: Den Besucher*innen des Bades sollten sich ungewöhnliche Erlebnisse und neue Erfahrungen eröffnen. Über die Jahre wuchs und veränderte sich das Projekt. Manche Arbeiten blieben dauerhaft installiert. Ausstellungsbereiche konnten neu erobert, andere mussten wieder aufgegeben werden. Einige Jahre etwa fanden die Wechselausstellungen nebst Konzerten während der Sommerferien im Bad selbst statt. Aus einem Geheimtipp wurde inzwischen eine feste Größe in Freiburgs Kulturlandschaft – gleich geblieben ist die wunderbare Atmosphäre. Das Projekt ist eine Hommage an diese grüne Oase und zugleich ein Geschenk der Künstler an die Besucher. Es finanziert sich rein privat durch Spenden und wird von der Stadt Freiburg, die den Ort zur Verfügung stellt, unterstützt.
Derzeit gibt es jeweils von Mitte September bis Mai eine neue Ausstellung. Bei den Vernissagen, die mit musikalischer Begleitung stattfinden, führt Christine Moskopf durch den Parcours. Aus diesen Führungen stammen auch viele Texte dieser Website.
Grund genug, vorläufig Bilanz zu ziehen. – Durch den Bau des Autobahnzubringers 1972 war das Gelände des früheren Faulerbades – ehedem ein über einhundert Jahre altes, traditionsreiches Freibad – auf einen verhältnismäßig schmalen Grundstückstreifen reduziert worden. Dieser liegt in einer Art Mulde zwischen der Stützwand für den Autobahnzubringer und der Faulerstraße mit ihrem alten Kastanienbestand. Schon im Jahre 1973 hatte die Stadt Freiburg einen Architekturwettbewerb für das Faulerbad ausgeschrieben. In der Zeit von 1981 – 1983 wurde dann der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf realisiert. Das attraktive Hallenbad besticht bis heute durch die Dachkonstruktion in Holzbauweise aus zehn hyperparabolischen Schalenelementen mit schwingenden Formen nach innen und nach außen als dominantes Bauelement.
Gerade dann wird es zu einer Alternative für ein klassisches Freibad. Ganzjährig ist die Liegewiese für Kunstfreunde über die Terrasse des Poolcafés zugänglich. Ansonsten hat die Liegewiese des Faulerbades, von Fußgängern kaum bemerkt, den Charakter einer geradezu verwunschenen Oase, einzigartig in diesem Quartier. Und so überrascht es durchaus nicht, das Jörg Siegele, dessen Atelier gerade gegenüber liegt, seinerzeit diese als geeigneten Ort erkannte, um ebenda Skulpturen aufzustellen. Damit begann 1999 die Metamorphose der Liegewiese. Seither präsentiert sie sich jedes Jahr mit einer zunehmenden Vielzahl von jährlich wechselnden neuen Werken, die neben denen, die länger verbleiben, eine neue Ausstellungssituation ergeben. Zu entdecken gibt es Ernstes und Amüsantes, vermeintlich Offensichtliches und unvermutet Hintersinniges, aber auch Plakatives und Rätselhaftes, Kompaktes und Fragiles – auf jeden Fall ist ein Kunstgenuss auf die vielfältigste Weise garantiert. Die Arbeiten sind dabei durchweg ganz unterschiedlich: so gibt es Installationen, Wandobjekte, zentnerschwere Objekte, Skulpturen bis hin zu fragilen Elementen. Im Wechsel der Jahreszeiten verändert sich für den Besucher die Stimmung dieses Gesamtbildes – dieses Ortes inmitten der Stadt – auf wunderbare Art, auf immer wieder neueste Weise mit immer neuen Seherlebnissen. Über mehrere Jahre – von 2001 bis 2007 – diente darüber hinaus auch die Badehalle zusätzlich als Ausstellungshalle. In der Halle gab es ganz besondere Möglichkeiten auch andere Werke zu zeigen wie Gemälde und Papierarbeiten. Die Besonderheit der Räumlichkeiten ermöglichten außerdem Rauminstallationen, die gerade so nur an diesem speziellen Ort zu realisieren waren. Dadurch wurde eine besondere Zwiesprache der Arbeiten in der Innen- und Außensituation ermöglicht. An vier Sonntagen während den Ausstellungen, in der architektonisch ungewöhnlichen Halle, fanden zudem Konzerte statt, darunter etliche Improvisationen, bei denen die Halle als Klangkörper genutzt wurde.
Am Rande der Fußgängerzone gelegen ist vielen die Liegewiese, in dieser seit Jahren veränderten Situation aber gar nicht präsent. Wer jedoch seither einmal dort verweilte, kann sich der Faszination dieses besonderen Ortes nicht mehr entziehen.
“Man muss noch genug Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“
- dieses Zitat von Friedrich Nietzsche scheint hier durchaus zutreffend. Die veränderte Situation der Liegewiese als Skulpturenpark sowie die Kunst-Objekte selbst, die mal offensichtlicher, mal verschlüsselter auf diesen artifiziellen Ort formal wie thematisch auf ihre ganz eigene Weise eingehen, fordern nämlich tatsächlich manche herkömmlichen Erwartungen des Besuchers heraus. So hat er hier einmal mehr die Möglichkeit, in der Betrachtung von Kunstwerken an diesem ungewöhnlichen Ort seine Sehgewohnheiten zu überdenken und durch ungewohnte Seherfahrungen durchaus zu – wie auch immer gearteten – neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Wer sich bei einem Besuch auf den Ort und die dort ausgestellten Werke einlässt, hat – für manchen vielleicht überraschenderweise – die Chance sich inspirieren zu lassen. Die größtenteils eigens für den Ort entstandenen Werke interagieren mit der Umgebung der Liegewiese und ebenso untereinander und verändern die vorhandene Situation, laden und werten diesen Ort auf. Darauf kann sich der Besucher einlassen und kann erfahren, dass sich sein Blick auf die Liegewiese durch die Objekte verändert, so wie auch der Blick auf die Werke an diesem Ort sicherlich ein spezieller ist. Man kann sich unterhalten, ja gar verzaubern lassen auf immer neuerliche und vielfältigste Weise, ganz besonders bei wiederholten Besuchen im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten sowie bei den unterschiedlichsten Wetterverhältnissen. So erging es mir und sicherlich anderen Besuchern kürzlich aufs Neue, als ich abends am Ende der Finissage der letzten Ausstellung vom Eingangsbereich der Badehalle in der Dunkelheit über die Liegewiese zurück zum Ausgang ging: Von den Kronen der Bäume fiel das Licht der Straßenbeleuchtung ’gefiltert’ derart, dass ein unglaublich interessantes, geradezu bizarres Licht- und Schattenspiel auf der Anlage entstand und die Objekte in dem sanft geschwungenen Gelände etwas Majestätisches bekamen, eine unglaubliche Stimmung, darüber der mit Sternen übersäte Nachthimmel, einfach atemberaubend. Ein einzigartiger Moment, welcher mit seiner Schönheit in der Erinnerung weiterlebt, ja weiter schwingt. Solche Augenblicke bleiben in unseren Köpfen präsent, einhergehend mit einer Neugier auf das, wie es real im nächsten Spätsommer und in den nachfolgenden Jahren weitergehen mag. Die Vorfreude auf immer neue Seherlebnisse, was bedeutet, sich damit auch ungewohnten Dingen zu stellen, setzt einen Prozess der Veränderung in Gang, der uns im positiven Sinne in jeder Hinsicht verändern kann. So wird die Liegewiese nicht nur zu einem irdisch real existenten, äußerst facettenreichen Ort, sondern auch im übertragenen Sinne zu einem Ort voller Magie.
Was mit einer ursprünglich mehr oder weniger spontanen Idee begann, hat sich über die Jahre mit immer neuen Ideen, enormer Kreativität, mit durchaus gewissem Mut, nie müde werdender Ausdauer, immerwährendem Dialog und mit Unterstützung vielfältigster Art – aber auch entgegen mancher Hindernisse – zu einem Kunstprojekt ganz besonderer Art entwickelt. Daran knüpft sich die Hoffnung, das dieses einzigartige Faulerbad-Projekt mit “Kunst auf der Liegewiese“ weiterleben wird, in der Gewissheit, dass diejenigen, die es in all’ den Jahren mitverfolgt haben, es auch in Zukunft mit ihrem Interesse voll Begeisterung dafür weiter begleiten werden und dass es darüber hinaus so weiter bekannt wird. Denn ein an und für sich bereits attraktiver Ort ist zu einem Skulpturenpark ganz spezieller Art geworden, der sich den Zauber eines verwunschenen Gartens bewahrt hat, ein Sehnsuchtsort, der in seiner Besonderheit unsere Phantasie und Ideen beflügeln kann.
im Bereich der Faulerstrasse mit dauerhaft installierten Werken von Manfred Dörner, Ulrich Kramer, Léonie von Roten, Jörg Siegele, Ralf Weber
Die von Jörg Siegele 1999 ins Leben gerufene und seit 2006 unter der Obhut eines Fördervereins stehende Ausstellung „Kunst auf der Liegewiese“ hat nun schon etliche Jahre Bestand, meine Damen und Herren, nämlich „12+1 Jahre“, um genau zu sein – und um den Titel des neu erschienenen Katalogs zur Retrospektive zu zitieren, den Sie im Anschluss an die Vernissage noch genau in Augenschein nehmen können.
Längst ist die Skulpturenschau im Faulerbad für das Freiburger Kulturleben zu einer festen Institution geworden. Jedes Jahr erfindet sie sich mit ihren regelmäßig wechselnden Exponaten neu … Heute jedoch mag es scheinen, als seien einige der Werke aus dem eingezäunten Grundstück des Faulerbads ausgebüxt, um sich entlang der Straße zu positionieren.
Auf der Liegewiese waren die meisten Objekte schon länger nicht mehr zu sehen, manches entstand auch erst vor kurzer Zeit. Die Mehrzahl von Ihnen kennt die Arbeiten sicher aus der Wilhelmstrasse, wo sie dieses Frühjahr den zu pflanzenden Bäumen weichen mussten, bevor sie in der Faulerstraße einen dauerhaften Standort fanden.
Deutlicher als am alten Standort rangiert deren Aufstellung nun zwischen den Kategorien „Kunst im urbanen Raum“ und „Kunst in der Natur“, da sie sich hier in direkter Nachbarschaft zum Schwimmbad und zum Spielplatz – nicht nur politisch betrachtet – in einer Grünzone befindet.
Die Umsiedelung dieser Kunstwerke legt es nahe: man kann nicht gerade behaupten, die Bildhauerarbeiten intervenierten im Sinne einer Konzeptkunst, die speziell für die hiesige Situation und den hiesigen Aufstellungsort geschaffen wurde. Vielmehr erleben wir sie – entlang der Straße hintereinander und gegenüber aufgereiht – wie für sich selbst stehend und ohne Bezug zum Nachbarn oder zur Umgebung.
Diese besondere Ausstellungssituation aber bewirkt zweierlei: Während viele Menschen in einem Museum gewisse Berührungsängste vor der Kunst haben, begegnen sie ihr auf der Straße viel freier, wo sie sich dem Leben direkter ausliefert. Dadurch ist das starre Verhältnis zwischen Kunstwerk und Betrachter automatisch aufgehoben, denn hier kommt die Kunst auch zu den Menschen, die sie sonst vielleicht eher nicht aufsuchen würden.
Da man hier – anders als im Museum – mehr oder weniger zufällig auf Kunst trifft, kann man jeweils entscheiden, ob man sich mit ihr auseinandersetzen oder sie ignorieren will.
Wir wollen uns heute natürlich mit ihr auseinandersetzen und beginnen nun mit einer Stele (o.T.) von Manfred Dörner, besprechen im Anschluss die beiden Skulpturen „Duality“ und „Gate“ von Ralph Weber, treffen dann auf Jörg Siegeles monumentalen „Kubus“, dem gegenüber sich Léonie von Rotens drei „Urban Neos“ befinden, um uns dann Ulrich Kramers „Giraffentelefon“ und zum Schluss noch einmal Jörg Siegele und seinen „Stelen“ zuzuwenden.
Die jeweiligen Werke der hier ausgestellten Künstler kann man im Grunde sämtlich mit einem Oberbegriff versehen: Manfred Dörners Stele (o.T.) würde ich zum Beispiel mit dem Begriff „Konstruktion“ überschreiben, wie sie aus der Balance verschiedener Kräfte und Gegenkräfte erwächst: Die Grundkonzeption entspricht einem geschlossenen Hufeisen aus rostigem Metall, an dessen oberer Querstange ein schaukelndes Objekt aufgehängt ist. Dieses reicht bis auf halbe Höhe herab und erinnert ein wenig an eine Babyschaukel.
Wie ein Tor öffnet sich das Objekt, beherrscht von einer nur scheinbaren Symmetrie, die (v.a. beim herab hängenden Objekt) sogleich wieder konterkariert wird; ein Spiel mit den Gegensätzen, das man als ein Schaffensprinzip dieses Künstlers bezeichnen kann, und das im Grunde das gesamte Objekt durchdringt. Ralph Webers Werke könnte man unter dem Label der „schlichten Ästhetik“ zusammenfassen. Wie der Titel – „Duality“ – bereits verrät, handelt diese Arbeit von Polaritäten.
Überhaupt seien diese seine Grundthematik, sagt der Künstler, was sich auch an der anderen Arbeit gut nachvollziehen lässt. Hier äußern sie sich zunächst rein äußerlich in den formellen Gegensätzen, die mal glatt-pfeilerhaft, mal aufgeraut-wellenförmig gestaltet sind sowie im Hell-Dunkel des Licht- und Schatten-Spiels. Ursprünglich war diese Zweiheit von archaischer Form neben runder Harmonie, Masse und Transparenz, in einen Granitblock eingeschlossen, noch deutlich erkennbar an den Bohrlöchern, und wurde dann wieder exakt aneinander gefügt. Insgesamt vermittelt diese Arbeit jedoch eine Art Energiekreislauf zwischen Loslassen und Festhalten, die zudem starke haptische Reize aussendet und sicherlich so manchen Passanten dazu verleiten wird, diese eigenhändig zu erkunden. Ralph Webers zweite Arbeit – direkt gegenüber – trägt den Titel „Gate“. Dieses zweiteilige, ca. 2 m hohe Objekt besteht aus einem wie ein Tor anmutenden aufgestellten Metall-Hufeisen und einem darauf gesetzten Steinblock, wiederum aus schwarzem Granit. Wieder sind hier die Gegensätze bestimmend; am augenfälligsten vielleicht in den verschiedenen Materialien der unteren und der oberen Hälfte.
Auch hier sind durch die furchenartige Bearbeitung des Granits die haptischen Reize sehr stark. Wie ein (an den Ecken abgeschlagener) Rahmen umfasst die glatte Rechteckform das „Bildinnere“ – eine zerklüftete Oberfläche, die sich von außen nach innen vertieft und stellenweise sogar das Licht durchschimmern lässt.
Jörg Siegeles Arbeiten hissen vor allem eine Fahne, nämlich die der „grenzenlosen Freiheit“. „Kunst wischt den Staub des Alltags von der Seele“, sagte einmal Pablo Picasso. Jörg Siegeles Arbeiten vermögen noch mehr: Sie evozieren beim Betrachter jenes Gefühl, das unserem streng strukturierten, kontrollierten und überwachten Leben immer mehr abhanden kommt – eben das Moment der Freiheit, erzeugt von unmittelbarer, spielerischen Kreativität. 1.30 m mal 1.30 m misst der „Kubus“ aus rostigem Metall, dessen monumentale Form von den zahlreichen Konturen allerlei ausgeschnittener, unglaublich vitaler Figuren fast wie ausgehöhlt erscheint und sich dadurch regelrecht aufzulösen scheint. Lustige kleine Teufelchen und allerlei anderes Gehörntes, Blumiges, Tanzendes, Flatterndes treibt hier sein Unwesen und erklärt die schwere Statik des Metallrahmens schlichtweg für null und nichtig.
Was sich dem Betrachter hier mitteilt, ist eine wie selbstverständlich wirkende Leichtigkeit, mit der der Künstler vorführt, welch quirliges Leben sich (wer weiß) in einem scheinbar unverrückbar-statischen Würfel verbirgt; eine fast anarchistisch anmutende Unbegrenztheit von Möglichkeiten, die besticht. Gegenüber treffen wir auf Léonie von Rotens „Urban Neos“ – drei quasi identische Objekte, die je aus einem schwarz bemalten Kunststoffzylinder mit 50 cm Durchmesser und 2.50 m (bzw. 2.00 m) Höhe bestehen, aus dessen oberem Rand schwarze „Lappen“ herausquellen. Léonie von Rotens Werke reagieren stets auf das Leben und die Gesellschaft, die uns umgibt und rufen im Betrachter „subtile Irritationen“ hervor. Entsprechend unmerklich vollzogen
diese drei „Säulen“ nach ihrem Umzug eine entscheidende Wandlung: Anstelle der beschädigten Kautschuk-Lappen wölben sich nun am oberen Rand der Säulen „Kapitele“ aus Stoff, die natürlich wesentlich formbarer sind als das vormals steife Material des Kautschuks und nicht zufällig die Form des Turbans aufgreifen.
Die Bezeichnung „Urban Neos“ ließe sich vielleicht mit ›Neue Stadtgenossen‹ übersetzen. Ton-in-Ton fügen sie sich in die graue Farbpalette der Stadt ein, was vor allem bei Regennässe eine fast „dramatische“ Wirkung ergibt. Eine Passantin glaubte einmal in ihnen Nonnen zu erkennen. Durch ihre turbanartigen Aufsätze erinnern sie heute jedoch stark an jene Mitmenschen, deren Integration derzeit wieder sehr erschwert erscheint und die doch auch zu den neuen Bewohnern, den „Urban Neos“ unserer Stadt zählen.
Einen so heiteren wie ernsten und so schlichten wie schönen Beitrag zu diesem Kunstparcours stiftet Ulrich Kramer mit seinem „Giraffentelefon“ – das hier fälschlicherweise als Elefantentelefon ausgeschildert wurde. Auf vier 6.20 m hohen und auf relativ kleiner Grundfläche fixierten Eisenstäben, die sich in halber Höhe ein wenig verjüngen und nach oben hin wieder zu ihrem ursprünglichen Umfang leicht auseinander biegen, befindet sich ein kleiner Kasten mit einem Loch, das mit fluoreszierender Farbe ausgemalt wurde, so dass es im Dunkeln leuchtet.
Dieses Objekt mit seiner sich verjüngenden Form wirkt – vor allem aus einigen Metern Entfernung – ungemein fragil und zart. In einfacher Formensprache, die in gewisser Weise natürlich die Statur der Giraffe imitiert, gelang es dem Künstler hier, Wesentliches zu formulieren, was ihn als „sublimen Botschafter“ auszeichnet.
Der Titel tut natürlich das seine dazu: Im Allgemeinen legt Ulrich Kramer die Werktitel erst nach der Fertigstellung fest, wenn sich ihm das Werk in seiner Gänze präsentiert. Hier aber, beim „Giraffentelefon“, stand der Titel von vornherein fest, geboren aus der Idee, dass es dringend eines „Giraffentelefons“ bedarf, weil man schließlich nie wisse, ob sich nicht eine Giraffe hierher verirrte, die nun wieder nach Hause wolle. Und wie solle sie das schaffen
ohne Telefon!
Was wirklich hinter Ulrich Kramers Aussage steht, ist die scheinbare Unüberbrückbarkeit der Kluft zwischen unserer Welt hier und der Heimat der Giraffe, nämlich Afrika. Für dieses Bild setzte der Bildhauer einen Gegenstand, der für das Medium der Kommunikation an sich steht, und dessen man sich im Grunde ganz einfach „bedienen“ kann, wenn man sich nur lang genug streckt…
Acht Stelen (o.T.) von Jörg Siegele bilden unsere letzte Etappe: Hohe rostfarbene Metallrohre, die streng parallel angeordnet wurden und am oberen Ende mit grafischen Formen aus Metallguss abschließen.
Wieder tummeln sich über der geradlinigen Strenge dieser Pfeiler ungeheuer dynamische Fantasiefiguren, fast als befänden sie sich auf schaukelnden Bäumen. Zuweilen glaubt man konkrete Formen wie eine Mondsichel, Fische, Köpfe oder Vögel auszumachen; – einerlei, denn Jörg Siegeles Figuren bringen allemal die Betrachter-Phantasie zum Erblühen. Irgendwoher scheinen sie uns seltsam vertraut. Vielleicht aus unseren Träumen? Unmittelbar bahnen sie sich ihren Weg durch unser Bewusstsein direkt ins Gemüt, wo sie mit ihrer Funken sprühenden Vitalität pure Lebenslust verbreiten.
Meine Damen und Herren, unsere Promenade endet hier, doch dürfen wir uns nun auf den Vortrag von Christine Moskopf freuen, die den Vernissage-Besuchern die „Kunst auf der Liegewiese“ schon so viele Jahren erklärt und auch die Texte zum vorhin angesprochenen Katalog verfasst hat, den ich Ihnen noch einmal wärmstens ans Herz legen möchte:
Schon rein äußerlich lässt er die Liebe der Beteiligten zu dieser ganz besonderen Ausstellungssituation erkennen, welcher – wie ich finde – durch die wunderschöne Gestaltung durch Sonja Schäfer und Uli Weidner des Grafikbüros „Know Idea“ Rechnung getragen wird.
Ich darf Sie darum herzlich auffordern, im Anschluss an Christine Moskopfs Führung darin zu blättern und die über die Jahre gewachsene unglaubliche Vielfalt der hier ausgestellten Exponate zu würdigen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Rede zur Vernissage der Werke in der Faulerstrasse vom 30. September 2012
Dr. Friederike Zimmermann, Kunst & Kommunikation, Merzhausen
Auf der Wiese bleibt alles, wie es war und doch ist vieles anders. Zugang und Öffnungszeiten orientieren sich nun an den Routinen und Spontanveranstaltungen der neuen Betreiber.